Donnerstag, 12. Januar 2017
Im Wortlaut: Gabriel und Gurria
G20 muss Potenzial der Digitalisierung nutzen
- von:
- Sigmar Gabriel und Angel Gurria
- Quelle:
- Handelsblatt
Deutschland will den digitalen Wandel fördern. Hochwertige Kommunikationsinfrastruktur, internationale Zusammenarbeit, Sicherheit von Netzen sowie Datenschutz sind daher Schwerpunkte der deutschen G20-Präsidentschaft, so Bundeswirtschaftsminister Gabriel und OECD-Generalsekretär Gurria.
Die digitale Revolution schreitet rasch voran. Sie hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Die Digitalisierung hält überall Einzug - in der Arbeitswelt wie im Privatleben. Angesichts der derzeitigen Gefahr niedrigen Wachstums der Weltwirtschaft mit sinkender Produktivität und gleichzeitig wachsender Ungleichheit sollte die G20 das Potenzial der Digitalisierung nutzen. Sie muss auf globaler Ebene eine Agenda für neue Quellen des Wachstums und der Beschäftigung erarbeiten.
Technologien wie "Cloud-Computing", "Big Data" und künstliche Intelligenz werden der Motor für Innovation, Teilhabe und das Wohl der Bevölkerung sein. Wir müssen vermeiden, dass die Kluft größer wird, was den Zugang zu und die Nutzung von digitalen Technologien angeht. Immer neue Innovationen und sinkende Preise sprechen dafür, dass die Kluft kleiner wird und die seit langem bestehenden Unterschiede beim globalen Zugang zu Informationen geringer werden.
Vor diesem Hintergrund wird die deutsche G20-Präsidentschaft den Schwerpunkt auf drei wesentliche Themen legen. Erstens: Um das Wachstumspotenzial der digitalen Wirtschaft erfolgreich nutzen zu können, ist ein preislich wettbewerbsfähiger Zugang zu qualitativ hochwertiger Kommunikationsinfrastruktur erforderlich. Er bildet die wichtigste Grundlage für Anwendungen und Dienstleistungen in der digitalen Wirtschaft. Die G20 kann einen Beitrag leisten, indem sie sich dazu verpflichtet, bis 2025 alle Privathaushalte und Unternehmen mit Breitband-Internet zu versorgen. Hierfür sind weitere öffentliche und private Investitionen notwendig. Wir müssen sicherstellen, dass lückenhafte oder nicht leistungsfähige digitale Infrastruktur nicht zu einem Hemmnis für Wachstum und gesellschaftliche Teilhabe wird.
Zweitens: Industrie 4.0, also die Digitalisierung der Fertigung, bedeutet den Eintritt in ein neues Zeitalter. Das erfordert verstärkte Anstrengungen bei Innovationen und Forschung und Entwicklung, eine starke Konzentration auf Wettbewerbspolitik einschließlich internationaler Zusammenarbeit im Bereich der Regulierung sowie gemeinsame internationale Anstrengungen bei der Normung. Maschinen sollten grenzüberschreitend und digital miteinander kommunizieren können, damit Unternehmen weiterhin global produzieren können. Ein diskriminierungsfreier Verwaltungsrahmen innerhalb der G20 würde Investoren dazu ermutigen, in qualitativ hochwertige digitale Produkte zu investieren, und es KMU und Start-ups ermöglichen, sich auf die Digitalisierung zu konzentrieren.
Drittens: Die digitale Revolution erfordert darüber hinaus einen ungehinderten Informationsfluss bei gleichzeitiger Achtung der Privatsphäre. Das setzt Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit von Netzen sowie den Schutz der Rechte von Verbrauchern voraus. All diese Ziele sollten von allen G20-Mitgliedstaaten gleichzeitig und gleichwertig umgesetzt werden. Angesichts der zunehmenden Erhebung und Analyse von großen Datenmengen ist es wichtig, sich auch mit Gefahren dieser Datensammlung für die Privatsphäre zu befassen.
Das wird zunehmend zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anliegen. Zu diesem Zweck muss die G20 strategische Leitlinien erarbeiten, um den sicheren Schutz von persönlichen Daten grenzüberschreitend etwa durch klare und interoperable Rahmenbedingungen zu fördern, digitale Sicherheit unter anderem durch Maßnahmen im Bereich Sicherheitsrisikomanagement zu gewährleisten und den Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft zu stärken.
Mit fortschreitender Digitalisierung entstehen viele neue Märkte und Arbeitsplätze, während andere umgestaltet und neu ausgestattet werden müssen. Besonderes Augenmerk gilt dabei Personen mit geringer Qualifikation und ohne IT-Kenntnisse, für die der digitale Wandel eine besondere Herausforderung darstellt. Unsere Bildungssysteme und betriebliche Ausbildung müssen daher angepasst werden. Wir müssen den Zugang zur und die Teilhabe an der digitalen Wirtschaft für alle und in allen Ländern sicherstellen. Deutschland will den digitalen Wandel fördern. Deshalb haben wir die digitale Agenda zu einem Schwerpunktthema unserer G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 gemacht. Die OECD verfolgt dasselbe Ziel. Sie startet gerade ein Querschnittsprojekt zu den Auswirkungen politischer Maßnahmen, die für den digitalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft notwendig sind. Auf dieser Grundlage können politische Entscheidungsträger die Digitalisierung besser gestalten und die darin steckenden Chancen für Wachstum und für das Wohl der Bevölkerung ergreifen.
Die OECD und die deutsche G20-Präsidentschaft wollen gemeinsam das politische Handeln so konkret wie möglich gestalten. Die Auftaktveranstaltung findet am 12. Januar mit der Konferenz "Key Issues for Digital Transformation in the G20" statt, zu der alle Akteure eingeladen sind. Ihr folgt die G20-Digitalministerkonferenz in Düsseldorf im April und der Gipfel der G20-Staats- und Regierungschefs in Hamburg im Juli. Die G20 ist die ideale Plattform für gemeinsam entwickelte Strategien, mit der wir die Zukunft gestalten können, um optimal vom technologischen Fortschritt zu profitieren. Digitalisierung ist eine globale Herausforderung, deshalb gehen wir sie global an.