Im Wortlaut: Gröhe
Globale Gesundheit auf der Tagesordnung
Bundesgesundheitsminister Gröhe spricht im Interview über weltweite Gesundheitsgefahren durch Tourismus und Migration. Für das G20-Gesundheitsministertreffen in dieser Woche kündigt er eine Krisenübung an. Die internationale Gemeinschaft müsse Pandemien künftig besser und schneller eindämmen, so Gröhe.
Foto: Gavi/Karel Prinsloo
Das Interview im Wortlaut:
B.Z. AM SONNTAG: Wie kommt Deutschland zum Thema Weltgesundheit?
Hermann Gröhe: Krankheiten kennen keine Grenzen. Um Krankheitsausbrüche, die eine weltweite Bedrohung werden können, schnell einzudämmen, müssen wir international noch besser werden. Beim G20-Gesundheitsministertreffen werden wir dazu eine Krisenübung durchführen. Ausgangslage ist der Ausbruch einer gefährlichen Krankheit, die sich über die Atemwege überträgt. Dass wir die globale Gesundheitspolitik auf die Tagesordnung der G20-Staaten gesetzt haben, ist ein starkes Zeichen der internationalen Verantwortung unseres Landes.
B.Z.: Wie groß ist die Gefahr einer solchen Pandemie?
Gröhe: Das weltweite Reiseaufkommen hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Von daher ist die Gefahr eher größer als kleiner geworden. Die letzte große Krise war der Ebola-Ausbruch 2014, bei dem in Westafrika 11. 000 Menschen starben. Aber die nächste Herausforderung kommt bestimmt. Wir wissen nur nicht, wo und wann und wie gefährlich das Virus sein wird. Deshalb ist es gut, jetzt für solche Fälle zu üben.
B.Z.: Wie schließen wir aus, dass mit Flüchtlingen auch Krankheiten einwandern?
Gröhe: Flüchtlinge, die zu uns kommen, erhalten eine Erstuntersuchung. Meldepflichtige Krankheiten von Windpocken bis Tuberkulose werden erfasst. Die Experten sind sich einig, dass es durch die Flüchtlinge nicht zu einem erhöhten Risiko für die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung gekommen ist.
B.Z.: Wie ist es um die Verfassung Schutzsuchender bestellt?
Gröhe: Die Ärzte berichten, dass es vor allem junge und gesunde Menschen sind, die zu uns geflüchtet sind. Wenn sie unter Krankheiten leiden, sind sie zumeist der Erschöpfung und der mangelnden Hygiene während der Flucht geschuldet. Oder es sind Krankheiten, denen wir durch Impfung, Hygiene und Behandlung gut begegnen können. Dass dies auch in den Monaten des vermehrten Zuzugs gelungen ist, haben wir den vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfern, Ärzten und Pflegekräften zu verdanken, die diesen Kraftakt der Erstuntersuchung gemeistert haben oft sogar in ihrer Freizeit.
B.Z.: Steigen wegen der Zuwanderung die Kassenbeiträge?
Gröhe: Ein Beitragsanstieg in der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch den Flüchtlingszuzug weder erfolgt noch zu befürchten. Die Versorgung von Asylbewerbern erfolgt durch Steuermittel nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Es stellt alle notwendigen Behandlungen sicher. Anerkannte Asylbewerber erhalten die Leistungen, die auch gesetzlich Versicherte bekommen und müssen dafür Krankenkassenbeiträge zahlen. Für diejenigen, die keine Arbeit finden, bekommen die Krankenkassen aus Steuermitteln denselben Betrag wie für andere Hartz-IV-Empfänger auch. Das sind aktuell 97 Euro pro Monat.
B.Z.: Deckt das die Kosten für die Kassen?
Gröhe: Der Betrag wird jetzt überprüft. Aus den gut gefüllten Finanzreserven haben wir eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, um hier abzufedern. Klar ist: Unser Ziel muss sein, dass möglichst viele Menschen schnell in Arbeit kommen. Denn Langzeitarbeitslosigkeit ist für alle sozialen Sicherungssysteme sehr teuer.
B.Z.: Wie viele Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an Krankenhausinfektionen?
Gröhe: Experten schätzen, dass sich 400 000 bis 600 000 Menschen bei einer medizinischen Behandlung mit einem Erreger anstecken. Davon ist ungefähr ein Drittel vermeidbar. 10 000 bis 15 000 Menschen verlieren ihr Leben. Das kann uns nicht ruhen lassen! Deshalb unterstützen wir die Ausbildung und Einstellung von Hygienefachpersonal und Fachärzten mit rund einer halben Milliarde Euro. Das Meldewesen beim Auftreten bestimmter Keime wurde verbessert. Der entscheidende Schlüssel zur Ansteckungsvermeidung ist und bleibt aber die Handhygiene.
B.Z.: Wie können sich ängstliche Patienten informieren?
Gröhe: Viele Krankenhäuser informieren in ihren Krankenhausberichten bereits darüber, was sie für eine gute Hygiene tun. Ab dem nächsten Jahr müssen das alle tun. So kann jeder Patient selbst entscheiden, wo er sich behandeln lassen möchte. Bei Problemen rate ich Patienten und ihren Angehörigen, die Beschwerdestelle im Krankenhaus oder ihre Krankenkasse einzuschalten.
Das Interview führte Ulrike Ruppel für die B.Z.